Herbstgedicht

Sommerreifenwechsel im rosa Abendhimmel

Der Laubbläser dreht an dem Heizungsknopf

Langsame Musik schwebt blätterbunt in Häuser

Wind schiebt den Zeiger der Uhr eine Stunde zurück

Die schwache Sonne sinkt ins Sofa

Helle Tage rufen ihr zu: „Bitte drinnen bleiben!“

Spielfilme hüpfen über eine Scheibe

Rad fahrende Kinder lernen Brettspiele

Und Balkonpflanzen verstecken sich im Nebel

Die Knospen in der modrig feuchten Erde spielen Blinde Kuh

Vor Freude

Fußballpanther

Fußballpanther

 

Sein Blick…hmm, wie ging das gleich nochmal?

Ach, ja

ist vom Vorübergeh’n der Stäbe, so müd geworden, dass er nichts mehr hält

Rilke, der Panther. Den Typ feier ich. Vielleicht ein bisschen morbide.

Ey, aber Scheiße, ich fühl mich wie dieses Katzentier in dem Gedicht!

Eingesperrt, eingesperrt, eingesperrt.

Wie lange geht diese fucking Pandemie noch?

Die haben alle gut reden, die Politiker und Virologen.

Ob Laura in Rio auf mich wartet? Versprochen hat sie’s ja.

Aber da war ich auch noch der Held für sie.

Wahrscheinlich hat sie sich schon als Fußballer-Promi-Frau gesehen, mit Millionen von Followern auf ihrem glitzernden rosa iPhone.

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.

„Ihr Herz ist geschrumpft“ hat der Arzt gemeint, long Covid Folgeschäden.

Ich könnte heulen, aber das tut man nicht mit 21.

Stattdessen laufe ich auf meiner Yogamatte achtsam rauf und runter.

Ich könnte vor Wut kotzen und boxe und kicke in die Luft… Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht…

Seit meiner Kindheit begleiten mich des Dichters Worte, mein Vater hat schon vor dreißig Jahren eine Melodie dazu gefunden.

Das passt gerade wie „die Faust auf’s Auge“

Ich feuere mich an: „Komm, Alter, atme tief ein, entspann Dich, atme tief aus, chill mal!“ Deine Mutter sagt doch immer: „Die sind nicht alle so stark wie wir!“

Piep, eine Message von meinem Bruder: „Was geht?“

Ich tippe mit fliegenden Fingern: „Weißt du die dritte Strophe vom Panther auswendig?“

Piepige Sekunden später, Zwinkersmiley:

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf . Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille und hört im Herzen auf zu sein.

Jetzt heule ich doch noch…egal!

Die rückwärts gehende Uhr

Endlich war er da. Der alles entscheidende Augenblick.

Als er sie am Morgen angesehen hatte, wusste sie, dass er zu allem bereit war. Seine braunen Augen hatten so ein zuversichtliches Leuchten gehabt, dass sie noch im Nachhinein innerlich errötete. Sie wollte ihn auf gar keinen Fall verunsichern, deshalb ließ sie sich nichts anmerken. Aber als seine Hände sie sanft berührten, durchfuhr sie ein zartes Schaudern, das sie nicht verbergen konnte. Sie war so aufgewühlt. Und die Blicke der Umstehenden trugen ihren Rest dazu bei. Sie wusste, dass er ihr aus vollem Herzen vertraute. Wie oft hatte sie ihm das in den letzten Monaten beweisen müssen. Wieder und wieder. Sein Perfektionismus hätte andere in die Verzweiflung getrieben, doch sie war nie müde geworden ihn zu unterstützen. Das gleichmäßige Pochen in ihrem Körper gab ihr die Gewissheit, dass seine Pläne kein Luftschlösser waren. Bei all seinen Vorhaben würde sie ihm treu zur Seite stehen. Für alle Zeiten, für immer und für ewig.

Wie die Zukunft tatsächlich aussah, konnte sie zwar nicht einschätzen, aber ihre Hoffnung war so groß wie die Sonne rund. Vielleicht würde er sie behutsam in die Luft gepolsterte Kunststofffolie einhüllen und in die silbern glänzende Edelstahlbox zurücklegen. Und in einigen Jahren würde er sie für eine neue Mission einsetzen. Er war ja noch so jung.

Doch was bedeutete schon Zeit? Sie würde warten. Die letzten zehn Jahre waren ja auch wie im Flug vergangen. 3,154 E8 Sekunden in seiner Nähe… Ja, sie würde ihren Timer nach dem Start wieder auf dieses Zeitfenster einstellen. Jede Sekunde zählen bis sie ihn wiedersehen konnte. Sie war schließlich keine 08/15 Uhr, sie hatte Visionen, genau wie er.

Aber nun musste sie sich auf ihre Aufgabe konzentrieren. Durfte sich nicht ablenken lassen, von den Gefühlen zu ihm, die ihr ganzes Universum umspannten.

Ein Blick auf die Mitarbeiter im Kontrollraum bestätigte ihre Empfindung. In ihren steifen, neuen Hemden starrten sie angespannt in seine Richtung . Sein ernstes Gesicht drehte sich zu ihr und er beugte sich nah über das Display. Ihre roten LEDs spiegelten sich in seinen Pupillen. Mit all ihren Sinnen fokussierte sie sich auf diesen Moment. Der Moment, der Geschichte schreiben würde. Sie spürte sein warmes Ausatmen wie eine leichte Meeresbrise auf ihrer glänzenden Aluhaut. Als er ihren Startbutton antippte, verschmolzen sie beide zu einer Einheit. Mit ruhiger, kräftiger Stimme, im Einklang zu ihrem präzisen Ticken, begann er zu zählen:

„Der Countdown läuft in Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, zero…“

Die Rakete hob ab.

h

Sommer in der Stadt

Foto: T. Wiglinghoff

So ein Sommer in der Stadt,

wenn der Schnelle Urlaub hat

Macht mich einfach richtig froh, langsam bin ich sowieso

In der Ruhe liegt die Kraft, Forsythie hat‘s dahin gerafft

Grüner Daumen, davon kann ich nur träumen

Mit meiner rosaroten Brille flaniere ich lieber durch’s Städtle

und spiele Madame Eete Petete

Die Dame imponierte mir schon immer

und irgendein Tourist sieht mich und denkt an Glanz und Glimmer.

Ich rümpfe arrogant das Näschen,

trinke Hollerschorle und fühle mich beschwipst ein bisschen

von der Lässigkeit in meiner Lieblingsstadt

Zukunft

„Wenn wir doch nur könnten, wie wir wollten!“

Ich saß in diesem Straßencafe und schaute mir die Leute, die vorübergingen, genau an. Es war der erste wärmere Tag in diesem Jahr und jeder schien das Bedürfnis zu haben, sich im Freien aufzuhalten. Der Satz kam vom Nachbartisch, an dem ein Typ saß, etwas nachlässig gekleidet, mit strahlend weißen Zähnen und gepflegten Händen. Die Frau zu der er sprach, schaute ihn nachdenklich mit ihren sehnsuchtsvollen braunen Augen an.

Meine Aufmerksamkeit schweifte von den Beiden ab und ich fragte mich, was dann wohl wäre. Würde ich etwas anders machen, wenn die Bedingungen andere wären? Oder schaffte sich jeder selbst Situationen, die ihn von seinen Träumen und Wünschen und deren Umsetzung fernhielten?

„Du hast die Wahl“, hörte ich diese kleine zierliche Frau sagen und ich musste tief ein- und wieder ausatmen. Es gab so viele Möglichkeiten sich zu entscheiden, wer sollte sich in diesem Dickicht der Unterschiedlichkeiten zurechtfinden.

Die Kellnerin mit ihrer weißen gestärkten Schürze strahlte etwas Reines und Klares aus.

„I never promised you a rose garden“, aus dem vorbeifahrenden Citroen drangen die Liedfetzen wie uralte, brüllende, gerade erwachende Dinosaurier an meine Ohren.

Ich holte deinen Brief aus meiner Handtasche und betrachtete die mir so vertraute Handschrift.

„Hast du überhaupt verstanden, was ich Dir sagen will?“ Die Stimme meines Tischnachbarn klang leicht gereizt. Die Schultern seiner Partnerin, auf denen diese verspielten, lockigen Haare lagen, fielen kaum merklich zusammen.

Ich betrachtete dein eines Wort auf der sonst leeren Seite. Vier Buchstaben, scheinbar so wenig und doch so viel.

Ein Windzug ließ eine Zeitung von einem Tisch flattern mit Blättern wie ausgebreiteten Armen.

Ich winkte der Kellnerin und zahlte. Die Münze, die für sie bestimmt war, fiel zu Boden. Ich hob sie auf, warf sie in die Luft und fing sie mit dem Handrücken wieder auf. „Kopf oder Zahl?“ fragte ich. Sie lachte und sagte „Zahl!“

Ich legte die Münze zu Deinem Wort „Komm“, nahm meinen Mantel und verließ das Cafe.